Beschreibung
Wer im Mittelalter eine Kathedrale durch das Hauptportal betrat und dabei zum Tympanon, dem Bogenfeld über der Eingangstür, aufschaute, wurde oft von Angst und Schrecken erfasst. Der Blick fiel auf das künftige Weltgericht, mit Christus als dem in göttlicher Vollmacht thronenden Richter über die Guten und Bösen. Besonders sorgfältig waren zumeist die Qualen der Hölle dargestellt. Sollte dies das Vorwort zu der im Inneren der Kirche verkündeten Frohbotschaft sein?
Demgegenüber erscheint die Darstellung des Weltgerichts im Tympanon des Freiburger Münsterturms wie ein helles Zeichen der Hoffnung, das nicht nur den mittelalterlichen Menschen faszinierte, sondern auch heute noch zum Glauben einlädt. Hansjürgen Verweyen, Professor em. für Fundamentaltheologie an der Universität Freiburg, ist dieser Darstellung bis ins Detail nachgegangen und zu dem Ergebnis gekommen, dass hier ein herausragendes Meisterwerk auch in theologischer Hinsicht geschaffen wurde. Dies war allerdings vor der 2004 abgeschlossenen Renovierung der Portalhalle kaum zu erkennen.
Wird das Ganze bis in unauffällige Einzelheiten hinein verfolgt, dann erschließt sich den Betrachtern ein geglücktes Zusammenspiel von einer intensiven Kreuzestheologie und der Fähigkeit, diese in der Beherrschung aller damals zur Verfügung stehenden künstlerischen Mittel zum Ausdruck zu bringen. Für das Verständnis wichtig ist zum Beispiel, die geometrische Gliederung zu erkennen. Das Tympanon ist in drei Querfelder aufgeteilt. Das mittlere Feld – und damit das Ganze – wird vom Bild des Gekreuzigten beherrscht. Eine Senkrechte in der Mitte führt von der Geißelung Jesu über den Crucifixus bis hinauf zu dem „am Kreuze erhöhten“ Weltenrichter (Joh 12,32). Beeindruckend ist nicht zuletzt, dass die Künstler kaum verkennbar an mehreren Stellen Petrus bzw. den Papst einer Kritik unterzogen haben, die sich wohl vom Niedergang päpstlicher Autorität zur Zeit der Entstehung des Portals her erklären lässt. – Ein Staunen erregendes Werk, das zeigt, wie sich eine tief verankerte Frömmigkeit durchaus mit dem Mut zur Kritik verbinden lässt.
Der Autor
Hansjürgen Verweyen, Dr. theol., Dr. phil. habil., geboren 1936. Nach langjähriger Lehrtätigkeit in den USA und an der Universität GH Essen war er von 1984 bis zu seiner Emeritierung 2004 Professor für Fundamentaltheologie an der Universität Freiburg i. Br.
„Ein ganz großes Kompliment für den wunderbaren Verweyen-Band zum Freiburger Tympanon. Ich bin begeistert, da Text und Bilder absolut harmonieren.“
Maria Haines, Diplom-Bibliothekarin, Redaktion „Theologie und Philosophie“, Frankfurt am Main