Beschreibung
Die Untersuchung von Bernd J. Claret bietet einen Zugang zu Leben und Werk des bis heute marginalisierten Theologen und Philosophen Joseph Bernhart (1881–1969), dessen Lebensgeschichte und Theologie aufs Engste miteinander verschränkt sind. Sie zeigt, wie die Erfahrung der „Tragik im Weltlauf“ und des „Geheimnisses der Selbstbestimmung“ am eigenen Leib und die damit verbundenen Verwundungen diesen „theologischen Außenseiter“ (M. Weitlauff) zu einem Denken ermächtigen, das Christus in einer einzigartigen Weise in die Mitte zu stellen vermag.
Bernhart, der als ein herausragender Vertreter eines „christlichen Pessimismus“ im Sinne von Karl Rahner angesehen werden kann, entwickelt in seinem Werk, und zwar von Irenäus von Lyon (2. Jahrhundert) herkommend, den theologisch hochkarätigen Gedanken, dass die von Gott geschaffene Welt „von Haus aus“, das heißt eben nicht erst aufgrund eines Sündenfalls zu Beginn der Geschichte, „Not und Gefahr“ in sich birgt, ja mehr noch: „tragisch verfasst“ ist, und zwar schon im Bereich der vor- und außermenschlichen Natur und dann vor allem in ihrem geschichtlichen Verlauf. Sie ist damit in einer sehr radikalen Weise der Erlösung bedürftig und letztlich auf den Heiland hin zentriert. Vor dem Hintergrund dessen, dass die Schöpfung in Gen 1 als „sehr gut“ befunden wird, erhebt sich die Frage: Aber warum schafft Gott seine Welt so, warum nicht anders? Warum realisiert er sein Projekt, das in der Menschwerdung gipfelt, überhaupt auf dem gefahr- und schmerzvollen Weg der Evolution?
Die Tragweite der geschichtstheologischen Überlegungen Bernharts kristallisiert sich in einem eigenen Denkversuch des Autors über „die ‚erste‘ Theodizeefrage“ (J. B. Metz) heraus. Dabei spielt der Gedanke einer – gottgewollten – radikalen Autonomie „vor Gott“ (echte Selbstbestimmung bzw. Freiheit), die für den Menschen „höchste Würde“ und zugleich „höchste Gefahr“ bedeutet, eine zentrale Rolle, aber auch der Gedanke, dass Gott keinen Menschen in die Freiheit entlässt, ohne ihm gleichzeitig sein Versprechen mit auf den Weg zu geben: „Du wirst nicht sterben“ (G. Marcel).