Beschreibung
Trotz seiner weit zurückreichenden Geschichte, seiner im Landschaftsbild dominierenden schlossartigen Erscheinung und des guten Erhaltungszustandes als Gesamtanlage zählt das einstige Augustiner-Chorherren-Stift Öhningen nicht zu den bekannten, viel besuchten Bodensee-Klöstern. Das mag an der auf den ersten Blick zurückhaltenden Gestaltung der Kirche liegen, die sich weder in mauerbetonter Romanik präsentiert, noch in sinnenfrohem, von Dekoration überbordendem Barock. St. Hippolyt und Verena gehört zu den seltenen Kirchen in Südwestdeutschland, die einheitlich am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges entstanden, in einer Epoche „zwischen den Stilen“, nun endgültig losgelöst einerseits von den im Bodenseeraum bis ins 17. Jh. dauernden gotisierenden Tendenzen, aber andererseits noch nicht voll erfasst vom Gedankengut der Spätrenaissance und des Frühbarock. Eine Besonderheit des zwischen 1610 und 1620 aufgeführten Gotteshauses ist die Stellung des Turms vor der Ostseite des Chors, ein in der Kirchenbaukunst der Jesuiten im 17. und 18. Jh. verbreitetes Motiv (etwa Freiburg, Heidelberg). Der Wille der Konstanzer Bauherrschaft zu unbedingter Sparsamkeit schlug sich natürlich auch in Ausstattungsfragen nieder. Dennoch erhielt die Kirche ab 1619 künstlerisch qualitätvollen Skulpturenschmuck aus der führenden Konstanzer Werkstatt Hans und Hans Christoph Schencks. Es ist wohl dem aus Augsburg gekommenen Bischof Jakob Fugger zu verdanken, dass ausnehmend viele Künstler, darunter die Schencks, aus dem Zentrum innovativer Kunstströmungen, dem schwäbisch-augsburgischen Raum, an den Bodensee gezogen wurden.
Dr. Mathias Köhler, Jahrgang 1961, zahlreiche Veröffentlichungen zur südwest- und mitteldeutschen Kunstgeschichte, seit 1991 Konservator am Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt in Halle/Saale. Zur Kunstführer-Reihe im Kunstverlag Josef Fink hat er die Kleinen Kunstführer „St. Maria Magdalena Tiefenbronn“ sowie „Das Münster Unserer Lieben Frau Konstanz“ beigesteuert.